von Jakob Eichberger

Da war das Haus und davor stand der alte Mann. Er war leger gekleidet und sah so aus als ob er  in seinem Leben schon genug erlebt hatte und das hatte er.

Er griff in seine Hosentaschen, und heraus kam ein Päckchen Zigarillos. Er nahm sich eine, die letzte, um genau zu sein, und schmiss dann das Päckchen in den Mülleimer. Erneuter Griff in die Hose: Feuerzeug, Feuer, er inhalierte stark. „Ahh”, er seufzte innerlich und entspannte ein wenig. Der Tag war beschissen gelaufen, zuerst die dumme Frau am Kiosk, und dann der Ärger beim täglichen Kartenspiel, jetzt aber würde es besser werden, das wusste der alte Mann. Jetzt würde er seinen Enkel sehen und ihm was vorlesen. Es war ein Ritual und die Vorfreude darauf hatte ihn oft vorm Verzweifeln bewahrt. Jeder braucht irgendwas auf das er sich freuen kann, auch der alte Mann.

Er zog ein letztes Mal an seinem Zigarillo und ging dann zur Tür. Sie war offen und während er sich die Schuhe auszog, kam seine Tochter und begrüßte ihn.

„Er wartet schon auf dich”, sagte sie freundlich. Er lächelte. Langsam stieg er die Treppen in den ersten Stock hoch, wo das Kinderzimmer war. Wie er es gewohnt war klopfte er an die Tür.

„Herein”, sagte die kindliche Stimme seines Enkels. Er trat ein. Der Junge saß auf dem Boden, an sein Bett gelehnt und grinste ihn an. Der alte Mann grinste zurück und setzte sich zu ihm. Er fragte sich, was für eine Geschichte ihn wohl diesmal erwarten würde. ‚Bei dem Bengel kann man das nie wissen’, dachte er sich und lächelte in sich hinein. ‚Ein richtiger Freigeist, der Bursche.’ Genau so wies der alte Mann gerne hatte. Er selbst bezeichnete sich ja auch als solchen. Schwierige Menschen. Nicht nur für andere, sondern auch vielmehr für sich selbst.

Ein Buch wurde ihm in die Hand gedrückt und er las den Titel: „Schneewittchen und die sieben Zwerge”.

‚Ein Märchen? Mh, dachte er ist darüber hinaus.’ Er kratzte sich am kopf. Als er den verschmitzten Blick seines Enkels auffing lächelte er wieder. Der Bengel hatte noch ein Ass im Ärmel, irgendwas, vielleicht eine Frage oder so was, da war er sich sicher. ‚Nun gut, dann mal los’, spornte er sich selbst an und begann zu lesen.

Er konnte gut erzählen und seine Stimme schmiegte sich an die Wände des Zimmers, an die herumliegenden Spielsachen und den Verkehrslärm der durchs gekippte Fenster drang. Die ganze Zeit lauschte der Junge mit regem Interesse, fast so als ob er die Geschichte zum ersten Mal hören würde. Kein einziges Mal unterbrach er seinen Opa wie er es sonst immer tat, und als der alte Mann mit Lesen fertig war nahm er ihm das Buch aus der Hand und schaute ihn an. „Warum sind es sieben Zwerge und nicht 8?”


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