von Lisa Laue

1.
Es geht mir schlecht. Ich stehe auf dem Kopf. Es ist so dunkel, dass meine Nase schon ganz weiß geworden ist. Und spitz. Wie lange muss ich hier wohl noch ausharren? An meinen Füßen kleben nur noch wenige Bröckchen Erde. Ach ja… zum Glück gibt es ja feuchte Küchendämpfe! Aber wie genügsam soll man noch sein?

2.
Jahrelang bin ich nun schon herumgeschubst und vergessen worden. Meine Sternstunde erlebte ich als Baby: Das stachelige Mitbringsel zum Hochzeitstag landete mitten auf dem Esstisch. Ich war DER Star.

3.
Dann ging es auf die Fensterbank und Jahre später in eine dunkle staubige Umzugskiste. Die Rettung kam damals in letzter Minute!

4.
Und nun? Irgendjemand hat mal wieder nicht aufgepasst: Mein Topf steht tief vergraben hinter hässlichen gelben Putzmittelflaschen. Wann erinnert sich wohl jemand an mich?

Da: Der Kaktus ist weg!

(Jajaja! Hiii-ier!)

Hier war doch immer der kleine Kaktus!

(Sehr richtig.)

Warum ist denn ausgerechnet DER weg? Der war doch immer da! Wer sollte sich denn mit dem einen Spaß erlauben? Wer war denn zuletzt zu Besuch?

(Nach dem Motto: Den übersieht ja doch jeder. Hmpf.)

Hey, weißt Du wo der Kaktus ist? Ich habe den schon überall gesucht!

(Nein, hier hinten hast Du nicht gesucht. Jetzt gib Dir doch mal mehr Mühe!)

Vielleicht hat den jemand geklaut?

(Oh nein! Hör bloß nicht auf zu suchen! Halt!)

Hmmm… Ich weiß gar nicht wie lange der schon nicht mehr hier steht…

(Aha. Na, mir wird schon ganz schwach…)

Ausgerechnet der Kaktus! Der hat uns so viele Jahre begleitet. Der ist ja ein richtiges Familienstück, ein Symbol! Der DARF doch nicht weg sein.

(Wawawas? Meine Nasenspitze wird rosa. Wie gut, dass sie mich noch nicht gefunden haben.)

5.

DU, DER KAKTUS IST DA!

— Wo?

HIER, IN DER ECKE AUF DER FENSTERBANK!

— Na, das ist ja schön.

DER STEHT JA AUF DEM KOPF!

— Auf dem Kopf? Wieso denn das?

(Sie lachen. Das ist gar nicht zum Lachen!)

WEISS ICH AUCH NICHT! ICH STELLE IHN MAL RICHTIG HERUM HIN!

(Ich werde sanft hochgehoben und wieder mit den Wurzeln in ein feuchtes Häufchen Erde gesteckt. Oh, mir wird ganz warm und wohlig.)

6.
Während ich endlich einschlummere höre ich:

“Du, ist es nicht schön, dass der Kaktus wieder da ist?”… “Mhmmm”… “Vielleicht sollten wir mal einen größeren Topf für ihn besorgen?”‘…

Oh… pssst… gar nicht nötig…

7.
Ich träume von heißem Sand, endlosem Himmelblau und pieke neugierige Erdmännchen in die Nasen. Um sieben weckt mich der nahrhafte Duft der Kaffeemaschine.

Es geht mir wieder gut.


  1. Sue

    Schön, richtig schön, mal was ganz anderes. Wobei ich zum besseren Verständnis die wörtliche Rede auch zu Beginn in Anführungsstriche gesteckt hätte. Zum Schluss hast du das ja gemacht.



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