von Raissa Pasichnyk
(aus dem Russischen von Svetlana Schick)
„Ich hätte dir das Geld geborgt”, antwortete sie auf meine Bitte nach langem Schweigen. „Aber die Sache hat einen Haken. Ich habe Angst, dass du plötzlich stirbst.” Und fügte hinzu: „Wer bezahlt mir dann die Schuld?”
„Niemand”, antwortete ich mechanisch. Und fragte erstaunt: „Warum denkst du, dass ich sterbe? Ich bin weder alt noch krank”. Das klang aber wie eine Rechtfertigung.
Dann schilderte sie mir die Sache ausführlich.
„Siehst du, im Leben kann alles passieren. Allerlei Unfälle und plötzliche Krankheiten, an denen man leidet, ohne das zu wissen. Du lebst zum Beispiel und hast keine Ahnung, dass vielleicht sich Krebs in einem deiner Organe entwickelt. Nein, nein, ich wünsche dir nichts Schlimmes,” fügte sie hinzu. „Aber verstehe mich richtig. Ich riskiere doch auch.”
„Was riskierst du dabei?”, fragte ich wieder erstaunt.
„Was riskiere ich? Mein Geld, natürlich!”, explodierte sie endlich. „Ich habe dir ja gesagt, ich hätte dir 7 Euro geborgt, aber wer kann garantieren, dass du am Leben bleibst und mir das Geld zurück gibst?”
„Niemand”, murmelte ich nicht ohne Schuldgefühl. Eine gewisse Logik konnte man ihr ja nicht absprechen.
„Siehst du, sagst du selber: niemand. Warum denn bittest du mich um Geld?”
„Merke dir meine Worte”, sagte sie bedeutsam zum Schluss. „Wenn du Geld leihen möchtest, sollst du immer Garantien haben, um bei deinen Kreditoren Vertrauen zu gewinnen.”
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May 22nd, 2007 at 12:04 pm
Natürlich wird es in dieser Geschichte nicht um Geiz gehen, wohl mehr um die Zweifel der Angepumpten, ihre Vertrauenslosigkeit. Aber warum den ganzen Text nicht auch als raffinierte Ausrede verstehen können? Interessant, vielschichtig. Mit deutlich russischem Ton, wie ich finde.