von Nadine Wittorf

Ein alter Mann stand am Rande eines Gewässers. Sein schäbiger Umhang wehte im seichten Zugwind, welcher hier vorherrschte. Er betrachtete das kühle Nass. Es war spät.

Die Dämmerung war längst einem tristen Grau gewichen, nur der Mond barg Helligkeit in seiner unendlichen Schönheit.

Der Mann rührte sich, griff in seine Tasche und beförderte ein Amulett hervor. Silbernes  Metall glänzte im fahlen Mondlicht. Eine dunkle Vertiefung im schönen Schmuckstück ließ eine Gravierung erahnen. Es war eine Zahl, eine Sieben.

Sie war allgegenwärtig, verbunden mit dem silbernen Amulett, war es das

Erkennungsmerkmal der sieben auserwählten Ordenshüter. Jeder im Bunde trug ein solches Amulett, welches über Generationen hinweg weiter gereicht wurde. Einem jeden, dieser Ordenshüter, dessen Aufgabe es war böse Magien vom heiligen Orten fern zu halten.

Es gab viele dieser Orte, einer der Gründe, weshalb ein Hüter ständig unterwegs zu sein schien.

Der alte Mann hielt das Amulett fest in seiner Hand. Er verfluchte es lautstark. Im Bunde der Sieben zu stehen bedeutete keine Wohltat. Es war ein hartes, oft schmerzvolles Leben, welches jene Personen leben mussten, um immer präsenten Schutz zu gewähren.

Das Schmuckstück erzitterte in seinen Händen, es war an der Zeit einen neuen Ordenshüter zu erwählen. Mit dem Alter schwanden Kraft und Ausdauer, dieses war schlecht für den Kampf gegen das fortwährende Böse.

Die Hand des Mannes schoss in die Höhe, ein letztes Mal betrachtete er die eingravierte Sieben. Er wagte nicht es zu öffnen, würde es ihm in dieser Situation doch den nächsten Träger darbieten.

Entschlossen holte er aus und warf es energisch in das stille Wasser. Ein leises Plätschern ertönte, als das Erkennungsstück zu Boden sank. Vielleicht, dachte der Mann, konnte er so zumindest einem Träger ähnliche Qualen ersparen, wie er sie erlitten hatte.

Ihm war bewusst, dass es ein zweckloses Unterfangen barg, dem Amulett, das Auffinden eines Trägers zu vereiteln. Tief in seinem Innersten wusste er, dass es weitaus größere Mächte gab, welche den Weg des Amuletts führten, als er im Stande war zu verstehen.

So drehte er sich in den Wind, welcher an seinem Mantel zerrte.

Er sah an sich herab, auch wenn er kein Amulett mehr sein Eigen nannte, war doch seine eigenartige Kleidungsweise ein eindeutiges Indiz für seine Taten.

So schnell es ihm möglich war, streifte er den schwarzen Ledermantel, Stiefel und das dunkle Hemd ab. Sich seiner Taten bewusst, warf er die Kleidung in die Höhe, wo sie vom Winde erfasst und ebenfalls in das Gewässer befördert wurde.

Erleichtert, die Bürde von seinen Schultern genommen zu haben, setzte er seinen Weg fort. Doch so sehr er sich auch dem Leben des Trägers entgegen gestellt hatte, würden die Spuren, welche die Aufgabe in seiner Seele hinterlassen hatte, nicht so leicht abzustreifen sein wie der so eben fortgeworfene Mantel.

Ruckartig fuhr er hoch, das Herz pochend, der Atem keuchend, versuchte er sich zu fangen. Er hatte geträumt, erneut war ihm jenes silberne Amulett mit der eingravierten Sieben erschienen, welches ihm seit mehreren Wochen den Schlaf raubte.

Er fuhr sich mit der Hand durch das kurz geschnittene Haar. Ein deutliches Zeichen seiner Unsicherheit. Noch immer klebte der kalte Schweiß an Stirn und Oberkörper.

Er schüttelte den Kopf, schließlich begab er sich in die Küche, füllte sich ein Glas Wasser, stürzte es rasch herunter.

Nachdenklich schaute er aus dem ovalen Fenster, welches den Blick auf einen kleinen Park gewährte.

Nochmals ließ er sich den immer wiederkehrenden Traum durch seine Gedankenwelt wandern. Ein silbernes Amulett mit einer eingravierten Sieben, wiederum ließ sich jenes Schmuckstück öffnen. Das war der Punkt, bei dem es ihn bewegte aufzuwachen, denn der Inhalt zeigte ein Bild seiner Person.

Erneut fuhr er sich durch das dunkle Haar, dann setzte er sich in Bewegung.

Es hielt ihn nicht länger in einem Bett, welches ihm ohnehin keinen Schlaf gewähren würde.

Er suchte sich seine abgetragenen Sachen zusammen, welche zerstreut auf dem weichen Teppichboden zu finden waren. Mit schnellen Handgriffen streifte er sich die Kleidung über.

Sicheren Schrittes gelangte er auf die Straße, kühle Nachtluft empfing ihn.

Durchdrang den seichten Stoff der leichten Weste, welche er sich über geworfen hatte.

Fröstelnd verharrte er einen Augenblick, bevor er den Weg zum Park einschlug.

Der einzige Fleck grün im weiten Umkreis war bei Tag von unzähligen Leuten besucht, doch zu derzeitiger Stunde trieb sich niemand zwischen Sträuchern und Gehölz herum.

Wenige Schritte brachten den durchtrainierten Mann in das kleine Wäldchen, das bei Nacht unberührter Natur glich.

Er steuerte den kleinen Weiher an, welcher aus dekorativen Gründen angelegt wurde, doch seit geraumer Zeit Mutter Natur überlassen wurde. Seit das Leben in das kleine Gewässer gekehrt war, erfreute es viele Menschen mit seiner Artenvielfalt und beruhigenden Ausstrahlung. Jenes, was sich der junge Mann zu ersuchen hoffte. Einen Ort, der frei von allerlei Albträumen war, ein Platz, der ihm Zeit zum Nachdenken bot.

Langsam ließ er sich auf eine, der zahlreichen Banken nieder, die um den Weiher verteilt waren.

Den Blick auf das dunkle Wasser gerichtet, schöpfte er neue Kraft in Anbetracht der vergangenen, ruhelosen Nächte. Diese Nacht war klar, keine Wolke verdunkelte den Himmel, nur das sanfte Mondlicht erhellte die kleine Welt um den jungen Mann herum.

Erschöpft betrachtete er das silberne Licht des halben Mondes, welches sich das Gewässer einverleibte. Es schien, als würde der silbrige Glanz im Wasser verstärkt zu einem imposanten Strahlen. Plötzlich sprang der junge Mann auf. Müdigkeit und Erschöpfung waren verschwunden, stattdessen spannten sich seine trainierten Muskeln unter der nackten Haut.

Er hatte etwas entdeckt.

Ruhelos schlich er zum Wasser. Seine Aufmerksamkeit auf jenes gerichtet, was ihn soeben noch aufgebracht hatte. Das Glänzen verstärkte sich, je näher er dem Weiher kam.

Schließlich entdeckte er den Auslöser des verstärkten Mondlichts.

Ein kleines Schmuckstück befand sich am Grunde des Gewässers. Von Pflanzen und Schlamm verdeckt, verriet nur ein winziger Teil, die wirklichen Ausmaße.

Ohne weiteres Zögern sprang er in den Weiher. Es verlangte ihn nach dem Silberstück.

Kalt und nass empfing ihn das kühle Element. Schlammiger Grund ließ ihn einsinken.

Es störte ihn nicht. Schnell angelte er nach dem Schmuckstück, um kurz darauf zurück an Land zu kehren.

Wenige Handgriffe waren von Nöten, um das Silberstück von Pflanzen und Dreck zu befreien. Schließlich hielt er das silberne Amulett in der Hand.

Er schauderte. Es war das Amulett aus seinem Traum. Schwer, und von unglaublichem Wert, hielt er das silberne Erkennungszeichen mit der eingravierten Sieben in seiner Hand.

Mit feuchten Fingern versuchte er es zu öffnen, rutschte ab, dann gelang es ihm.

Ein Strahlen, hell wie die Sonne, machte die Nacht für einen kurzen Augenblick zum Tag.

Er wandte sich ab, geblendet von dem reinen, weißen Licht.

Allmählich verebbte es. Er konzentrierte sich auf den Inhalt.

Ähnlich einem Bildschirm flimmerte auf dem weißen Hintergrund ein Abbild seiner Person.

Er erstarrte. Vereinzelte Worte prangten in alter Schrift unter dem Bilde.

Danny Donan,…“, las er den Namen. Seinen Namen. „… auserwählt, den Orden zu hüten und dem Bösen zu trotzen.”

Seine Worte lösten einen unheimlichen Prozess aus. Im selben Moment, wo die Worte gesprochen wurden, entbrannte dem Mann ein schmerzvoller Stich in der Hand, welche das Amulett hielt. Eine unglaubliche Wärme machte es dem verwirrten Mann unmöglich das Schmuckstück weiter zu halten. Ein Stöhnen begleitete den Fall des wertvollen Silberstückes.

Danny erwachte nur langsam. Jene Ereignisse vergangener Nacht standen ihm noch allzu deutlich vor Augen. Er blinzelte, allerdings war es ihm schleierhaft, wie er zurück in Bett und Wohnung gefunden hatte, noch dazu, warum er sich das Amulett um den Hals gelegt hatte.

Zermürbt hievte er sich aus dem soliden Eichenbett, welches knarrend antwortete.

Seine Sachen waren noch immer feucht von dem vergangenen Bad im Weiher, er hatte sie nicht abgelegt.

Der junge Mann fand sich auf der Straße wieder; nachdem er geduscht und gegessen hatte, fühlte er sich wohler. Danny lächelte, er schlug den Weg zur Innenstadt ein.

Aufmerksam strich er durch die Modehäuser, auf der Suche nach etwas Passendem.

Letztendlich griff er sich einen schwarzen Mantel. Er betrachtete sich im Spiegel.

Er war nicht ganz zufrieden. Ein dunkles Hemd tauschte er gegen das seinige.

Wieder den Blick auf seine abgebildete Person.

„Mhh”, er überlegte. Dann zog er sich ein Paar tiefschwarze Stiefel an.

Ausgiebig betrachtete er die Person, welche ihm entgegenblickte.

Danny grinste verstohlen, fasste sich unbewusst an das silberne Amulett, welches beruhigend und kühl unter dem dunklen Hemd ruhte. Die Sachen gefielen ihm.

Entschlossen wandte er sich zur Kasse, um jene Kleidung zu zahlen.


  1. Manuel Hoffmann

    Ein Schelm der an LotR denkt, Gollum ;).



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