von Helge-Benjamin Unterweg

Über der Bar bildeten sich Rauchwolken. Sie waren sehr klein, jedoch würde ich sie im Nachhinein nicht als Rauchwölkchen bezeichnen. Dunstwolken würde es schon eher treffen. Doch die Tatsache, dass es in der einzigen Bar, des kleinen Dorfes bestialisch stank und eine Luft herrschte, die in jeder Herrentoilette besser war, tangierte mich eher peripher. Ich war womöglich zu müde, um darüber nachzudenken. Ich beobachtete das Glas Scotch mit Soda, das ich vor einer halben Stunde bestellt hatte, während ich an das Unheil dachte, das über der Stadt sein Unwesen trieb. Sieben – Die Raben kreisten wieder über dem Dorf, und das hatte nichts gutes zu bedeuten. Die Zahl Sieben hatte wohl eine große Bedeutung in unserem Dorf, denn davon abgesehen, dass es sieben Raben waren, war es auch der siebte, der diesen Monat von uns gegangen war. Es war nicht nur einfach irgendein  schlimmes Jahr für uns gewesen, es war das siebte Jahr nach der Gründung der Stadt. Seit Beginn dieses Jahres sind regelmäßig Bewohner gestorben. Es waren meistens junge Menschen zwischen 20 und 30, die ohne jedes Anzeichen von Krankheit starben. Alle Todesfälle blieben bis heute ungeklärt, und wenn sie mich fragen, werden diese auch für immer ungeklärt bleiben. Ich weiß nicht, was mich noch in dieser Stadt hielt, die durch Leid und Unheil geprägt war.

In dieser Bar, in der ich mich gerade befand, konnte ich immer am besten über meine Probleme nachdenken. Ich konnte mich vor Angst nicht mehr in meiner Wohnung aufhalten. Besonders schlimm waren meine Ängste und meine Wahnvorstellungen an den Tagen, an denen die Todesglocke der Kirche läutete oder – wie am heutigen – die sieben Raben über der Stadt kreisten. Ich hatte sehr große Angst, und aus diesem Grund befand ich mich auch hier. Dieser Tag schien eine doppelt schlimme Bedeutung zu haben, da heute um fünf Uhr die Todesglocke läutete und jetzt, um kurz vor sieben, die Raben über der Stadt kreisten. Ich wusste nicht wie die Welt momentan draußen aussah, aber ich ging davon aus, dass es ein typischer Tag für eine englische Stadt war: Regen, Wind und Kälte. Ich hatte nicht vor, die Bar heute noch zu verlassen, obwohl ich wusste, dass ich es früher oder später tun müsste. Ich dachte nochmal darüber nach, was das letzte Mal passiert war, als ich die Bar zu früh verließ. Beinah hätten sie mich gehabt, aber ich entkam – vorerst. Die Dunstwolken wurden immer stärker und dichter. Die Todesglocke donnerte zum zweiten Mal. Eins – Zwei – Drei – Vier – Fünf – Sechs – Sieben. Ich wusste, dass ich die Bar früher oder später verlassen musste, denn ich wollte es nicht darauf anlegen, zu spät zu kommen. Ich sah, wie die schwarz gekleideten Leute in die Kirche einzogen, um von ihrem Freund und Mitmenschen Abschied zu nehmen. Ich wusste, dass ich früher oder später gehen musste. Ich trank aus, nahm meinen Trenchcoat und machte mich auf den Weg. Ich durfte nicht zu spät kommen. Schließlich war ich der Ehrengast der Zeremonie . . .


Leave a Comment


You must log in to post a comment.