von Bärbel Giessmann
Elke wohnt in Berlin-Mitte in einem Plattenbau der DDR, im 7. Stock. Dieses Haus in der Nähe des Hotels Park-Inn ist ein vielprämierter Komplex und war der architektonische Stolz der einstigen DDR. Viele wollten dort wohnen, da jede Wohnung komfortabel mit Bad und Küche ausgestattet war, was Ende der 60er noch recht selten vorkam.
Dieser Komplex sieht von vorn sehr toll aus, man sieht dort nur Wohnungsfenster an Fenster. Jedes Fenster hat einen französischen Balkon vorgelagert. Wenn man nun annimmt, dass auf der Rückseite dann nur die Flure sind, täuscht man sich. Von hinten erkennt man, dass nur in der 1., 3., 6. und 9. Etage Flurfenster mit den Fluren zu sehen sind.
Wenn Elke Fahrstuhl fuhr, schaute sie sich immer die Knopfleiste mit den drei Etagen an, die 3, die 6 und die 9. Wenn sie in die 7. Etage wollte, drückte sie immer die 6 und musste dann über den Flur zu einem Treppenhaus laufen, um zum 7. Stock zu kommen. Der Mieter, der im 5. Stock wohnte, musste auch die 6 drücken und dann im Treppenhaus zum 5. Stock runtersteigen.
Bei Elke kamen schmerzliche Gefühle auf, dass sie nie die 7 ihres Stockwerkes im Fahrstuhl drücken konnte. Das löste eine schmerzliche Sehnsucht nach „ihrer” Sieben aus.
In der Pubertät hatte Elke kleine Krisen – wer hatte die nicht? Aber Elkes Hauptauslöser war ein Konflikt mit einem Mädel aus der Nachbarklasse, das prahlte, schon sechs Jungen gehabt zu haben; Elke wollte sie übertrumpfen und wollte es auf sieben schaffen.
Alles setzte sie daran, sieben Jungens zu verbrauchen, was ihr auch fast gelang.
Ein Freund folgte dem Nächsten, bis zur Nummer 6. Nachdem die 6 abserviert war, wollte sie Nummer 7 an Land ziehen. Dazu kam es dann nicht mehr, da Elke eines Abends in ihrem Hause im Treppenhaus vergewaltigt wurde.
Alles war so schrecklich, dass Elke natürlich nie und nimmer mehr daran dachte, ihren Verbrauch auf Freund 7 fortzusetzen.
Leider war es jetzt schon das zweite Erlebnis, dass Elke ihre Sieben nicht erreichte; dafür aber das prägende Erlebnis der Vergewaltigung. Allmählich wurde Elke klar, dass sie wohl an einer Zwangserkrankung litt, nämlich immer ihr Leben nach der Zahl Sieben auszurichten. Um diesen Zwang zu bekämpfen, suchte sie Psychologen auf. Wieder wurden es sieben.
Sie suchte sieben Hautärzte auf, sieben verschiedene Frauenärzte, kaufte immer alles sieben Mal, multiplizierte, addierte, subtrahierte solange, bis sie die Zahl Sieben wieder hatte.
Da sie zum Beispiel keine 7 Autos halten konnte, verzichtete sie darauf.
Mit Mitte dreißig war sie 5×7 Jahre alt und ihr Wunschmann begegnete ihr.
Sie wollte natürlich auch sieben Kinder. Weil ihr Mann nur 2 Kinder wollte, verzichtete sie ganz darauf.
Schenkte er ihr acht Rosen, warf sie eine weg. Bekam sie einen Ring, wollte sie ihn noch mit sechs weiteren „bestücken”.
Dieser Zwang nach der Sieben verstärkte sich, je älter Elke wurde. Sie wollte sieben Orgasmen, sie wollte sieben Mal ein bestimmtes Video schauen, sieben… sieben… sieben…
Ihr Mann hielt es nicht mal sieben Monate mit ihr aus, dann verließ er sie. Sie merkte, dass es ihr schwer fiel, mit ihrer Zahl-Macke neue Männer kennen zu lernen, so dass sie es wohl nie auf sieben Ehemänner bringen würde, das machte sie fertig.
So sehr belastete es sie, dass sie sich das Leben nehmen wollte; da das nur ein Mal ginge, verzichtete sie.
Aus einem Wurf mit neun Katzen nahm sie sieben Stück an, damit sie wieder auf bessere Gedanken kam und nicht mehr so traurig blieb.
Eines Tages fiel eine ihrer Katzen aus dem Fenster. Natürlich nur EIN MAL, Elke holte sie hoch in ihre Wohnung und schmiss sie nochmals hinunter, bis die Katze das siebente Mal aufs Pflaster traf.
Dann stand die Polizei vor der Tür und nahm sie mit, ein konsultierter Nervenarzt wies sie in eine Anstalt ein.
Willens, sich helfen und heilen zu lassen, wollte sie sieben Monate bleiben, wurde aber nach einem halben Jahr entlassen.
Elke kaufte sich erneut sieben Katzen und schmiss eine davon wieder aus dem Fenster; diesmal stand die Polizei schon nach dem ersten Mal vor ihr.
Elke verwies darauf, dass sie noch einen Monat in der Nervenklinik “guthabe”.
Die Polizei nahm sie mit, um sie wieder einem Arzt vorzustellen. Die mitgeführten Katzen, derer noch sechs Stück, kabbelten sich sehr im Polizeiwagen, so sehr, dass der Fahrer des Wagens von einem Katzenhieb getroffen die Kontrolle des Wagens verlor und in einen Wohnblock fuhr (dieser auch architektonische Reize aufwies, davon aber ein andermal mehr).
Durch die sich aufblasenden Airbags kamen die beiden Polizisten noch mit leichten Blessuren davon, Elke hingegen segelte unangeschnallt durchs Vorderfenster.
Tödlich verletzt blieb sie liegen. Einer der verletzten Polizisten versuchte es mit Herz-Druck-Massagen, Elke wieder ins Leben zurückzuholen. Als er bei der Herzmassage das 7. Mal ihren Brustkorb drückte, sah er sieben Engel anschweben.
Elke lächelte ihn an und hauchte: siehste, es sind sieben…, ehe er sie wieder „verlor”.
Leider verlor er nicht nur Elke, sondern auch seinen Verstand.
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