von Susanne Pahl
Rücksichtslos schickte die Sonne ihr grelles Licht ins Zimmer und kitzelte mit ihren Strahlen eine junge Frau wach, die nur ungern die Augen öffnete, weil in diesem Moment ein wundervoller Traum zu Ende ging. Unwillig warf Marina einen Blick auf die Uhr, warf die kuschelige Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett, ehe sie zärtlich das Foto auf ihrem Nachtschrank ansah und sacht mit dem Finger über das Bild im silbernen Rahmen strich. Seufzend verließ sie ihr Schlafzimmer und schlurfte in die Küche, um Kaffee zu machen und ein leichtes Frühstück vorzubereiten.
Waren wirklich bereits sieben Jahre vergangen seitdem sie sich zum ersten Mal mit dem Mann getroffen hatte? Sieben lange Jahre der Sehnsucht, in denen sie voll Hoffnung war, dass er ihre Liebe eines Tages erwiderte und sie ihm all das sagen konnte, was sie für ihn empfand. Gedankenverloren saß Marina am Küchentisch und legte ihre Hände um den heißen Becher Kaffee, während sie sich Erinnerungen an den Mann hingab, an den sie ihr Herz verloren hatte.
Wie viele junge Leute hatten sie sich im Zeitalter des Internets über ein Chat kennen gelernt. Nein, es war nicht Liebe auf den ersten Blick oder besser gesagt, auf das erste Wort gewesen. Es hatte unmerklich begonnen und sich auf ihrer Seite von Tag zu Tag verstärkt. Anfangs hatten sie über allgemeine Themen gesprochen, aber schnell herausgefunden, dass sie viele gemeinsame Interessen hatten, und je länger und intensiver ihre Gespräche wurden, desto klarer spürten sie, dass zwischen ihnen eine Art Seelenverwandtschaft bestand. Bald folgten die ersten Telefongespräche, die den Gesprächen im Chat ähnelten aber den Vorteil hatten, die Stimme des anderen zu hören. Von nun an sprachen sie täglich miteinander und ihre Worte wurden liebevoller und zärtlicher, bis beide den Wunsch hatten, sich zu treffen um herauszufinden, ob sie sich ebenso mochten, wenn sie sich persönlich gegenüberstanden. Rasch war ein Wochenende gefunden, an dem sie beide Zeit hatten und doch zogen sich die Tage bis zum Treffen hin wie ein zähes Stück Fleisch und Marina konnte ihre Ungeduld kaum ertragen.
Endlich war es soweit, und als sie ihm zum ersten Mal in seine blauen Augen blickte, war es um sie geschehen. Ihr Herz begann zu springen und in ihrem Bauch schienen tausend Schmetterlinge umherzuflattern. Sein Kuss war sanft und sie wünschte, er würde niemals enden. Noch nie hatte sie so stark für einen Mann gefühlt, und wenn sie nun daran zurückdachte, war dieses Wochenende eines der schönsten gewesen, die sie bisher erlebt hatte. Keine Minute waren sie einander in diesen Tagen von der Seite gewichen und ihre Zeit war erfüllt gewesen mit Spaziergängen, gemeinsamen Mahlzeiten und tausend wundervollen Zärtlichkeiten in ihrem Hotelzimmer. Es war kein Abschied mit Tränen, denn sie wussten, dass sie sich wiedersehen und den Kontakt zueinander nicht verlieren wollten.
Vorsichtig nippte Marina an ihrem heißen Kaffee und lächelte, während ihre Gedanken bei dem Mann ihres Herzens blieben. Viel Zeit war inzwischen vergangen, aber ihr Kontakt zueinander war tatsächlich bestehen geblieben. Ihre Telefonate waren nicht mehr von der Länge wie am Anfang, aber wenn es zeitlich klappte, sahen sie sich einmal im Monat zu dieser oder jener kulturellen Veranstaltung oder einfach nur zu einem gemütlichen Zusammensitzen bei einem Glas Wein. Beide genossen die Zeit miteinander und Marina spürte, dass er sie sehr gern hatte, nur waren ihre Gefühle anderer Natur als die seinen. Wenn sie nur an ihn dachte, durchfluteten sie zärtliche Gefühle, aber sie wusste, dass sie damit alleine stand. Aus diesem Grund versuchte sie die Situation auf ihre Art zu meistern und war klug genug keine Ansprüche zu stellen und sich darüber zu freuen, wenn er Zeit für sie hatte.
Halb gefangen von ihren Gedanken schaute sie auf die Küchenuhr und stellte mit Schrecken fest, dass sie sich beeilen musste, wenn sie nicht zu spät ins Büro kommen wollte. Rasch räumte sie den Tisch ab, stellte die Kaffeemaschine aus und eilte unter die Dusche, um wenig später vor ihrem Kleiderschrank zu stehen und sich anzuziehen.
„Guten Morgen, Marina. Was ist los mit dir? Du siehst bedrückt aus”, begrüßte sie ihre Kollegin und beste Freundin Julia, als sie ins Büro kam und ihre Tasche und die Jacke im Schrank verstaute.
„Dir auch einen guten Morgen”, antwortete Marina, warf einen prüfenden Blick in den Spiegel und wandte sich erneut Julia zu. „Ich hatte einen wunderschönen Traum und bin etwas verdrießlich, weil der sonnige Morgen meinen Traum vertrieben hat.”
„Aha, dein Liebster spukt dir mal wieder im Kopf herum”, lachte Julia, umarmte ihre Freundin und schlug vor, am Abend gemeinsam Essen zu gehen.
„Gute Idee”, stimmte Marina erfreut zu. „Aber jetzt erstmal ran an die Arbeit.”
Beflissen geleitete der Ober die beiden Freundinnen am Abend an einen freien Tisch, nahm ihre Getränkewünsche entgegen und reichte ihnen die Speisekarte. „Vielen Dank.” Gemeinsam wählten die jungen Frauen ein Menü aus und prosteten sich zu, nachdem der bestellte Wein serviert worden war.
„So, was machen wir nun mit dir und deiner unerfüllten Liebe?” Julia zündete sich eine Zigarette an und warf ihrer Freundin einen leicht belustigten Blick zu.
„Nichts”, erwiderte Marina. „Es ist eben, wie es ist.”
„Jetzt sei nicht so pessimistisch, Marina. Vertraue deiner spirituellen Ader. Hast du nicht dein Pendel befragt und dir die Karten gelegt und beide Male erfahren, dass du Geduld haben musst, bis der Mann, den du liebst, sich dir zuwenden wird?”
„Ja, das schon”, gab Marina etwas gereizt zu. „Allerdings bin ich nicht sicher, ob ich die positiven Aussagen nicht ungewollt manipuliere, weil mir soviel daran liegt, dass mein Wunsch in Erfüllung geht. Vielleicht ist alles nur Selbstbetrug.”
„Das finde ich nicht”, widersprach Julia entschieden. „Im Gegenteil. Du hast schon manche Dinge aus den Karten gelesen, die recht aufschlussreich waren. Aber wenn du an deinen Fähigkeiten zweifelst, dann solltest du vielleicht mal jemand anderes fragen. Was meinst du dazu?”
„Ach, ich weiß nicht”, wehrte Marina ab. „Wahrscheinlich kann man in Bezug auf die Liebe gar keine Voraussagen machen. Es ist dumm, zu hoffen, dass sich jemals etwas ändern wird”, fügte sie seufzend hinzu.
„Vielleicht solltest du mit ein wenig Liebeszauber nachhelfen”, grinste Julia und zwinkerte ihrer Freundin zu. „Es soll ja Leute geben, die darauf schwören.”
„Quatsch”, brummte Marina. „Du kannst keinen Menschen durch Zauberei dazu bringen, Gefühle für dich zu entwickeln. So etwas funktioniert nur in Märchen.”
„Manchmal sollen Märchen wahr werden.”
„Klar, in Liebesfilmen und Schnulzenromanen”, lachte Marina. „Leider lebe ich aber in der Realität und bin weder eine Romanfigur noch eine Filmschönheit.”
„Wenn du dermaßen wenig Zuversicht hast, was die Liebe dieses Mannes betrifft, dann kann ich mir sparen, dir von Kassandra zu erzählen”, tat Julia etwas beleidigt, wusste aber, dass ihre Freundin neugierig genug war, um nachzufragen.
„Wer ist diese Kassandra?”, erkundigte sich Marina wie erwartet, während Julia in sich hinein schmunzelte.
„Das spielt keine Rolle. Du hast ja längst aufgegeben”, neckte Julia sie, schenkte dem Ober ein strahlendes Lächeln und begann ihre Spaghetti mit der Gabel aufzurollen.
„Olle Hexe”, nörgelte Marina, spießte ein Salatblatt auf und schob es sich lustlos in den Mund.
„Nein, so alt ist sie noch gar nicht”, lachte Julia schallend. „Sie ist erst Mitte sechzig.”
„Nun mach schon und spanne mich nicht länger auf die Folter”, forderte Marina, während sie ihrer Pizza mit Messer und Gabel zu Leibe rückte.
„Kassandra ist eine weise Frau”, begann Julia zu erzählen. „Im Mittelalter hätte man sie sicher verbrannt. Sie kennt sich mit Kräutern aus, kann heilende Salben und Tees herstellen und wendet bestimmte Zauberformeln und Rituale an, die sich hilfreich auf deine Situation auswirken. Ich weiß, dass sie einigen Bekannten von mir sehr geholfen hat, die mit ihrer Hilfe Lebenskrisen überstanden haben, weil Wünsche sich plötzlich erfüllt haben.
„Hört sich vielversprechend an, Julia. Ich glaube dir gern, dass die Frau kranken Menschen mit Salben und Kräutern helfen kann. Ich kann mir auch vorstellen, dass sie Menschen in Lebenskrisen beraten kann, aber dass sie Zaubersprüche kennt, die Wünsche erfüllen sollen, das übersteigt ein wenig mein Vorstellungsvermögen.” Marina sah ihre Freundin skeptisch an und schüttelte den Kopf.
„Ich habe geahnt, dass du misstrauisch bist”, lächelte Julia. „Was hältst du davon, wenn wir morgen Abend zu ihr gehen?”
„Jetzt sag mir bitte nicht, dass du ihr von mir erzählt hast”, empörte sich Marina.
„Nein, habe ich nicht. Es ist aber schwierig, einen Termin zu bekommen. Ich habe uns bereits vor vier Wochen bei ihr angemeldet, ihr aber gleich gesagt, dass ich nicht wüsste, ob du diesen Termin wahrnehmen möchtest. Bitte, Marina, sei nicht wütend auf mich. Es tut mir nur Leid, dass deine Liebe schon so viele Jahre nicht erwidert wird. Ich habe einfach gedacht, dass es ein Versuch Wert ist.”
„Ich bin nicht wütend, Julia. Ich glaube nur nicht an Zauberei. Ich müsste aufhören, ihn zu lieben, dann wäre alles in bester Ordnung.”
„Aber das kannst du nicht, Marina. Geh mit mir zu Kassandra. Sie glaubt wie du an die innere Kraft des Menschen. Vielleicht kann sie dich unterstützen.”
„Na gut”, seufzte Marina ergeben. „Ich halte zwar nichts von Zaubersprüchen, aber lass uns morgen nach Feierabend zu ihr fahren.”
Aromatischer Duft fernöstlicher Räucherstäbchen hing in der Luft, als Kassandra die beiden jungen Frauen in ihr Arbeitszimmer führte, das von roten Samtvorhängen völlig abgedunkelt war. Auf jeder freien Fläche standen jedoch Kerzen, die den Raum mit anheimelndem Licht erfüllten.
„Bitte, setzt euch”, bot Kassandra mit samtweicher Stimme an. Ihre Bewegungen waren fließend und frei von Anspannung oder Eile. In ihren dunklen Augen lag eine Wärme und Güte, die Marina vollkommen vergessen ließen, dass sie diesem Treffen voreingenommen und mit skeptischen Gefühlen zugestimmt hatte.
„Du führst ein abwechslungsreiches Leben, hast viele Interessen, gute Freunde und eine liebe Familie”, sagte Kassandra, ohne Marina zu berühren oder zuvor etwas von ihrem Leben gehört zu haben. „Du liebst einen Mann, der dir sehr zugetan ist, dich schätzt und mag, sich jedoch weder binden noch eine Liebesbeziehung eingehen möchte”, fuhr sie unbeirrt fort. „Er ist selbstbezogen, frei und ungebunden und möchte es bleiben.” Ihre braunen Augen bohrten sich in die Marinas, die fasziniert und sprachlos war. „Was möchtest du?”
„Ich möchte eine Beziehung mit ihm”, hauchte Marina.
„Die habt ihr auf die eine oder andere Weise”, antwortete Kassandra ungerührt. „Was möchtest du?”
„Ich möchte, dass er mich wahrnimmt und sieht, wie ich bin.”
„Das tut er bereits. Was möchtest du?”
„Ich möchte, dass er mich liebt”, sagte Marina leise.
„Er liebt dich auf seine Art”, erwiderte Kassandra. „Was möchtest du?”
„Ich möchte, dass er mich so liebt, wie ich ihn liebe”, fand Marina endlich die Worte, die tief in ihrem Herzen waren.
„Glaubst du daran, dass es Dinge gibt, die wir Menschen niemals verstehen werden? Glaubst du an die Macht der Liebe und an die Macht des Glaubens”, wollte Kassandra wissen. „Der Glaube versetzt Berge”, fuhr sie fort, ehe Marina antworten konnte. „Glaube an dich, sei selbstbewusst und lebe unbeirrt dein Leben. Er wird deine Kraft und Liebe spüren, seine Gefühle für dich werden wachsen und er wird dich nach und nach mit anderen Augen sehen. Wie lange kennst du ihn?”
„Seit sieben Jahren”, antwortete Marina bedrückt.
„Wann genau werden es sieben Jahre?”
„In zwei Tagen.”
„Zünde um Mitternacht zum siebten Jahr genau sieben rote Kerzen an, die du vorher jeweils mit einer Mischung aus drei Tropfen Lavendelöl, drei Tropfen Orangenöl und einem Tropfen Zitronenöl eingerieben hast. Sprich drei Mal seinen Namen aus, während du die Kerzen anzündest. Lasse die Kerzen zwei Stunden brennen und lösche sie dann mit sieben Tränen. Lasse auf jede Flamme eine Träne fallen. Dann warte sieben Tage und erlebe eine Überraschung.” Kassandra nahm die Hände Marinas in ihre und streichelte über ihre Finger. „Du hast so viele Jahre Geduld geübt, das spricht von tiefer und inniger Liebe. Du wirst glücklich werden.”
„Vielen Dank.” Marina verabschiedete sich bewegt und spürte, wie sich ein tiefes Gefühl der Zärtlichkeit in ihr ausbreitete, die ihr zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Zuversicht gab.
Trotzdem setzten neue Zweifel ein, als Marina am vereinbarten Tag um Mitternacht tat, wie ihr Kassandra geheißen hatte und sieben rote Kerzen aufstellte. Konnte ein Zauber wirklich helfen? Wie sollte das gehen? Durfte sie mehr von dem Mann verlangen als er ihr gab, auch wenn sie ihn aus tiefstem Herzen liebte? In ihr nagte die Angst, dass sie alles schlimmer machte und er sich ganz von ihr abwenden könnte. Außerdem kam sie sich reichlich naiv und kindlich vor, während sie die Kerzen anzündete, seinen Namen drei Mal aussprach und die Kerzen brennen ließ, bis die zwei Stunden verstrichen waren. Es war nicht nötig, gezwungene Tränen aufzufangen, denn sie weinte von selbst, während sie in die Flammen blickte und sich wünschte, sie wäre eine Frau gewesen, die sein Herz im Sturm erobert hätte. Mit ihren Tränen löschte sie die Kerzen, zog sich aus und ging ins Bett. Schlafen konnte sie nicht, denn sie war bis ins Innerste aufgewühlt. Sieben Tage sollte sie warten und dann eine Überraschung erleben. Was hatte Kassandra damit gemeint? Vermutlich würde er sich von ihr zurückziehen und sie hatte die Möglichkeit, sich in einen anderen Mann zu verlieben. Diese Möglichkeit erschien Marina am logischsten, ehe sie endlich in einen unruhigen Schlaf fiel.
Wie vor sieben Jahren fieberte Marina dem Tag entgegen, an dem sie die versprochene Überraschung erleben sollte. Zum Glück verging die Zeit zumindest während der Arbeit im Büro schnell, zumal ihre Freundin Julia sie immer wieder aufmunterte und auf andere Gedanken brachte. Dafür waren aber die Nächte umso qualvoller und Marina lag stundenlang wach und zermarterte sich unnötigerweise das Gehirn. Natürlich war ihr bewusst, dass alles Grübeln zu nichts führte und sie sich nur selbst um den nötigen Schlaf brachte, es gelang ihr jedoch nicht, ihre Gedanken in andere Richtungen zu lenken und sie war unendlich erleichtert, als die sieben langen Tage und noch längeren Nächte endlich vorüber waren. Bereits vor dem Läuten des Weckers war sie aufgewacht, frühstückte betont lange und duschte noch länger. Der Morgen verging jedoch, ohne dass etwas geschah und auch der Arbeitstag verging ohne besondere Vorkommnisse. Enttäuscht fuhr Marina abends nach Hause, versuchte sich einzureden, dass eben alles nur Humbug war und war eben dabei sich mit einem Buch in die Sofaecke zu verkrümeln, um sich abzulenken, als plötzlich das Telefon klingelte. Erschrocken zuckte sie zusammen und legte hastig das Buch zur Seite, ehe sie den Hörer abhob.
„Na du, ich bin es”, sagte er mit seiner längst vertrauten Stimme, die sie so an ihm liebte.
„Hi, schön, dass du dich meldest. Wie geht es dir?”, fragte Marina mit klopfendem Herzen.
„Super geht es mir. Ich habe nämlich nächstes Wochenende frei und bei dem Gedanken muss es mir ja gut gehen, nicht wahr?”
„Allerdings”, lachte Marina. Klang er wirklich anders als sonst, oder bildete sie es sich nur ein? „Schön, dass du endlich mal Zeit haben wirst auszuspannen”, fügte sie in freundschaftlichem Ton hinzu.
„Finde ich auch”, stimmte er zu. „Ich hab mir überlegt, ob ich dich nicht besuchen soll und wir zusammen etwas unternehmen. Was meinst du?”
„Das wäre wunderbar. Du weißt, wie sehr ich mich freue, wenn du es möglich machst, bei mir vorbeizukommen.”
„Schön, dann ist das geklärt. Ich werde Freitagvormittag losfahren und zwei Stunden später bei dir klingeln. Ich rufe an, bevor ich starte.”
„In Ordnung. Soll ich etwas für das Wochenende planen?”, fragte Marina, die sich mittlerweile fragte, wo die angebliche Überraschung blieb, die Kassandra ihr vorausgesagt hatte. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie sich gegenseitig anriefen. Es war auch nicht ungewöhnlich, dass er sie besuchte oder sie zu ihm fuhr. Es kam nicht sehr häufig vor, aber es war nichts, was nicht auch ohne Zauberei geschehen wäre.
„Nein, lass uns einmal mal nichts planen”, bat er unerwartet. „Ich möchte einfach bei dir sein und in Ruhe mit dir reden.”
„Du klingst so ernst. Ist etwas geschehen?” Bangen Herzens hatte Marina diese Frage gestellt, denn sie spürte sehr wohl, dass seine Stimme sanfter und ruhiger klang als sonst und sein jungenhafter Schalk heute nicht zum Ausdruck kam. Hatte er vor, mit ihr zu reden, weil er den Kontakt abbrechen wollte? Nein! Sie riss sich zusammen und schalt sich einen Narren. Wenn das seine Absicht wäre, dann hätte ein Telefongespräch ausgereicht und er müsste sich nicht zwei Stunden ins Auto setzen, um zu ihr zu kommen.
„Du findest also, dass ich ernst klinge, was?”, spottete er liebevoll. „Nun, du hast nicht ganz Unrecht. Ich habe nämlich über uns nachgedacht und denke, wir sollten einmal ganz offen darüber reden, wie wir unsere Beziehung in Zukunft gestalten wollen. Weißt du, ich habe meine Gefühle für dich hinterfragt und mir ist einiges bewusst geworden. Aber lass uns am Wochenende darüber reden, Marina. Das ist kein Thema fürs Telefon. Ich möchte dir dabei in die Augen sehen können.”
„Meine Güte, das klingt ziemlich aufregend. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll”, murmelte Marina überrascht. „Ich freue mich natürlich sehr, dich am Wochenende zu sehen und mit dir zu reden.”
„Ich mich auch, Marina. Jetzt muss ich leider auflegen. Ich muss noch mal weg. Aber ich melde mich im Laufe der Woche bei dir. Und dann sind es nur noch wenige Tage bis zum Freitag. Gute Nacht, Marina. Schlaf gut und schöne Träume.”
„Dankeschön, das wünsche ich dir auch. Bis bald also.” Behutsam legte Marina den Hörer zurück, wandte sich ab und schaute fassungslos aus dem Fenster. Hatte sie dieses Gespräch tatsächlich geführt, oder war es Einbildung gewesen? Fast war sie versucht, ihn zurückzurufen und zu fragen, ob er sie tatsächlich angerufen hatte. Lächelnd sah sie auf die sieben roten Kerzen, die halb abgebrannt in ihrem Regal standen. Manchmal schien ein Zauber wirklich zu helfen oder war es der Glaube daran, dass sich Etwas zum Guten veränderte? Aber es spielte keine Rolle, ob es Zauberei, ein starker Glaube oder einfach die Zeit war, die ihre Situation verändert hatte. Seit langem war sie nicht mehr so glücklich schlafen gegangen, wie an diesem Abend. Ihr letzter Gedanke galt, wie so oft, ihm und sie stellte sich vor, wie sie mit einem deutlichen Ja antwortete, wenn er sie fragte, ob sie sich vorstellen könnte, mit ihm zusammen zu leben. „Ich liebe dich von ganzem Herzen”, flüsterte Marina in die Dunkelheit, ehe sie sich in ihr Kissen kuschelte und mit einem warmen Gefühl im Bauch einschlief.
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