Wasserstände (5)

Kurz vor dem Ende, so kann ich doch sagen. Da wir vom Verlag auch Vorgaben in Puncto Seitenzahlen erhalten haben, werden die Entscheidungen immer schwieriger. Wir müssen nämlich manchmal zu dem Schluss kommen, dass es “nicht gereicht” hat, obwohl man mit ein bisschen gutem Willen und keiner Vorgabe, die Geschichte eventuell noch mit in die Anthologie aufgenommen hätte. Doch das scheint auch ein Prozess zu sein, den wir lernen müssen.

Es heißt mittlerweile 39 Geschichten sind sicher drin. Doch es heißt ebenfalls: 40 Geschichten sind sicher draußen. Damit bleiben noch 4 Geschichten, um die es zu entscheiden gilt.


  1. Maik

    Na das hört sich doch gut an! Die vier letzten sollten ja in absehbarer Zeit von euch ausgefochten werden können. Freue mich schon auf die Ergebnisse, wie auch immer sie ausfallen mögen.

  2. Susann

    Auch auf die Gefahr, dass du bei der Frage jetzt graue Haare kriegst, Alexander, hattet ihr das Interview beim Verlag schon? Bin gespannt, was die Verantwortlichen euch dort zum Thema Verlegen und Ansprüche an ein Manuskript erzählt haben.

  3. Dominik

    Schön, dann wird ja (nach all den Tagen und dem Streß, den die Juroren hatten) bald der große Tag gekommen!

  4. Alexander Trust

    @Susann: Nein, leider noch nicht. Ich denke, sie haben viel zu tun gehabt um die Frankfurter Buchmesse herum. Wenn wir ein abschließendes Votum haben, werde ich mich dort auch telefonisch anmelden.

  5. S. L. Calvi

    Hat sich einer von euch eventuell auch schon mal gefragt, warum bei dem Thema 7 so verhältnismäßig viele düstere Geschichten herausgekommen sind?
    Ein fröhliches Lesebuch wird das vermutlich nicht gerade. Muss es ja auch nicht, aber warum ist das so? Sieben ist doch neutral oder? 13, okay, das hat von vorneherein etwas Bedrohliches. Aber 7?!
    Ich muss ja gestehen, dass ich selbst eher ein Typ bin, der Geschichten mit möglichst wenig Depression und Gewalt liest und auch schreibt, aber hier hat sich mir eben diese Geschichte aufgedrängt, etwas, das ich bisher nie in so einer Form geschrieben habe. Eigentlich war ich selbst überrascht. Erst recht, als ich dann festgestellt habe, dass es auch vielen anderen so erging.
    Wie ging es euch?

  6. Sperzel-Völk

    Man könnt auch die Theorie aufstellen, dass sich nur die Autoren an diesem Projekt beteiligt haben, die sich von der mystischen Zahl angezogen gefühlt haben, und die, welche vor Positivismus nur so strotzen und die Augen vor dem Bösen, dem Unheimlichen, der dritten Dimension verschließen, dieses Thema gar nicht erst angegangen sind?!
    @Alexander: Ich finde, dass du sehr verantwortungsbewusst mit den Menschen umgehst, die sich unter deine Fittiche begeben haben. Es ist sicher nicht leicht, wenn man die Küken aus dem Nest schmeißen muss!Das macht es sehr viel leichter, euer Urteil anzuerkennen. Danke.

  7. Wildis Streng

    Ich glaube, das ist in der Literatur eine Tendenz: möglichst düster, möglichst depressiv. Ich schreib auch eher luschdig. Aber was mit Tod und Umbringen oder Selbstmord… da kann man nicht wirklich sagen, dass das schlecht ist… ist ja immerhin tragisch-dramatisch. Das ist so ähnlich wie mit abstrakter Kunst.

  8. Alexander Trust

    Ich denke, Literatur ist immer auch ein Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse. Unsere Gesellschaft draußen, sie ist auf den Einzelnen fixiert, verliert die Gruppen aus dem Fokus und es kommt nicht von ungefähr, dass drei Geschichten, die am Wettbewerb teilnahmen, allesamt dieselbe suizidale Szene schilderten.

    Jedenfalls sind das Situationen, die auf eine Gesellschaft passen, die immer älter wird und trotzdem die alten Leute ausgrenzt. Die immer weniger junge Leute hat, aber denen trotzdem keine Chance gibt. Die immer mehr Scheidungsziffern denjenigen entgegenstemmt, die noch an die illusionäre, wahre Liebe glauben wollen. 😉 Man sieht, ich neige zu Übertreibungen, aber es steckt trotz allem darin ein wahrer Kern. Ich selbst bin übrigens zufrieden mit mir und der Welt. 😉

  9. Dominik

    Ich glaube, die düstere Stimmung kommt in der Tat als Folge der “Verzweiflung” über die Gesellschaft. Ich sehe da, ob der wenigen Handlungsmöglichkeiten für einzelne Personen, auch Parallelen zum Expressionismus. Sieht das noch jemand so? Das fände ich interessant.

  10. Dominik

    Als Nachtrag: Da ich ein Verfasser der drei suizidalen Geschichten bin, möchte ich jedoch klarstellen, dass ich durchaus eine positive Grundeinstellung habe, mein Leben liebe und keinerlei suizidale Tendenzen habe.

  11. Dominik

    Als Nachtrag: Da ich einer der Verfasser der drei suizidalen Geschichten bin, möchte ich jedoch klarstellen, dass ich durchaus eine positive Grundeinstellung habe, mein Leben liebe und keinerlei suizidale Tendenzen habe.

  12. Thomas Zejewski

    Oh ja. Das vermehrte Aufkommen von Film noir Elementen im heutigen Kino ist Ausdruck für das Gefühl der Entfremdung.

  13. Sperzel-Völk

    Demnach liegen die Wurzeln dieser Richtung bei den Existentialisten? Der Unterschied zu ihnen ist, dass heute die Massen davon ergriffen sind, und damals war es nur eine Handvoll Intelektueller, die sich mit Leben und Tod im Bezug auf die Gesellschaft auseinadergesetzt hat. Bei der Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen – wer es noch nicht mitbekommen hat – Norman Mailer ist tot!

  14. Christian

    Eine andere Theorie wäre, dass diese allgemeine Düsternis durch die Überbewertung des Individuums bedingt ist. Durch allzu starke Reflexion des eigenen Ichs, durch eine Aufblähung der Innenwelt erscheinen eigentlich kleine Seelenunreinheiten als so gewaltig, dass sie mehr ins Gewicht fallen als nötig. Hinzu kommt die Überstimulation der Sinne, die ein Sich-zurückziehen-müssen oder -wollen mit sich bringt. Wenn ich mich in die Außenwelt / in soziale Kontakte begebe, gebe ich mich sinnlichen Reizen preis, die heutzutage auf mich einzustürzen pflegen. Als Gegenbewegung entziehe ich mich diesen Reizen… dies bewirkt Isolation (sogar in der Masse) … dies bewirkt Beschäftigung mit sich selbst… dies bewirkt Selbstreflexion… und dies bewirkt schließlich, dass man den schönen Wald vor schwarzen Bäumen nicht mehr sehen kann.

  15. Thomas Zejewski

    Naja aber das Auge des Sturmes ist einfach zu reizvoll;) Denke aber das wichtigste ist das Maß bzw. die Dosis der Introspektion, die zwischen Genie und Wahnsinn, zwischen Egomanie und Selbstvergessenheit entscheidet.

    Finde aber eure Gedanken sehr fruchtbar. Danke!

  16. Wildis Streng

    Mh. Also ich habe ganz einfach das Gefühl, dass es schick ist, deprimierende Stoffe zu verarbeiten. 😉

  17. Sandra

    Ich selbst schreibe auch nur deprimiernde Geschichten. Warum? Weil ich nicht anders kann. Ich habe selbst eine pessimistische Lebenseinstellung (keine Ahnung warum).
    Selbst wenn ich versuche, etwas Lustiges zu schreiben, wird es traurig. irgendwie deprimierend.
    Aber ich habe mich damit abgefunden, dass ich nur solche Texte schreiben kann.

  18. Andreas

    Oft hilft es einem auch, einen solchen Text zu schreiben. Für mich ist das oft ein Mittel, die trüben Gedanken von der Seele wegzuschreiben.

    Und es ist einfach viel einfacher einen düsteren Stoff zu schreiben, als einen fröhlichen und lustigen. Für einen heiteren Stoff braucht es viel mehr Disziplin und Können, wenn es nicht einfach albern werden soll.
    Wobei ich letzteres nur vermute, weil es mir schwer fällt, etwas sonniges zu schreiben. 🙂

  19. S. L. Calvi

    Nun, es gibt ja nicht nur düster und lustig. Man kann ja auch neutral gehaltene Geschichten schreiben, die trotzdem spannend und unterhaltsam sind, aber weder besonders grausam, blutig oder deprimierend, noch total witzig. Richtig lustig ist definitiv nicht einfach, ganz klar.
    @Christian: Vielleicht bin ich jetzt zu blond, aber nach mehrfachem Lesen deines Beitrags muss ich trotzdem nochmal nachfragen: Bezieht sich die These jetzt auf den Autor, der sich durch die Überstimulation der Reize in sich zurückzieht und deshalb düstere Geschichten schreibt? Weil er sich in der Menge isoliert fühlt?

  20. Andreas Pischner

    Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner?

    Und immer wieder schickt ihr mir Briefe,
    in denen ihr, dick unterstrichen, schreibt:
    »Herr Kästner, wo bleibt das Positive?«
    Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.

    Noch immer räumt ihr dem Guten und Schönen
    den leeren Platz überm Sofa ein.
    Ihr wollt euch noch immer nicht dran gewöhnen,
    gescheit und trotzdem tapfer zu sein.

    Ihr braucht schon wieder mal Vaseline,
    mit der ihr das trockene Brot beschmiert.
    Ihr sagt schon wieder, mit gläubiger Miene:
    »Der siebente Himmel wird frisch tapeziert!«

    Ihr streut euch Zucker über die Schmerzen
    und denkt, unter Zucker verschwänden sie.
    Ihr baut schon wieder Balkons vor die Herzen
    und nehmt die strampelnde Seele aufs Knie.

    Die Spezies Mensch ging aus dem Leime
    und mit ihr Haus und Staat und Welt.
    Ihr wünscht, daß ich’s hübsch zusammenreime,
    und denkt, daß es dann zusammenhält?

    Ich will nicht schwindeln. Ich werde nicht schwindeln.
    Die Zeit ist schwarz, ich mach euch nichts weis.
    Es gibt genug Lieferanten von Windeln.
    Und manche liefern zum Selbstkostenpreis.

    Habt Sonne in sämtlichen Körperteilen
    und wickelt die Sorgen in Seidenpapier!
    Doch tut es rasch. Ihr müßt euch beeilen.
    Sonst werden die Sorgen größer als ihr.

    Die Zeit liegt im Sterben. Bald wird sie begraben.
    Im Osten zimmern sie schon den Sarg.
    Ihr möchtet gern euren Spaß dran haben .. .?
    Ein Friedhof ist kein Lunapark.

  21. Sperzel-Völk

    Ohnmacht, Ignoranz und Pessimismus, das prägt tatsächlich unsere Generation. Wie glücklich derjenige, der seine Seele auf den Knien schaukeln kann, indem er sich über Schreiben, Malen, Musizieren, etc. artikulieren kann und am Ende seines Lebens – wenn auch nicht unbedingt im Suff, wie der arme Erich – den Spruch mit ins Grab nehmen kann: Der Verstand irrt. Das Gefühl nie.